Verfasst am: Dienstag, 03.06.2008, 10:07 Titel:
Tages Anzeiger (Schweiz) vom 02. Juni 2008
Thema Beschreibung: Artikel zu Callin - Gewinnspielen
Artikel Tages – Anzeiger, Rubrik Sozial & Sicher, Montag 2. Juni 2008
Tv-Quizsendungen; Keiner weiss was gespielt wird
Private Fernsehsender locken die Zuschauer seit Jahren mit Gewinnspielen. Zu holen gibt es meist nicht viel, und niemand weiss, ob beim Spiel alles mit rechten Dingen zu- und hergeht.
Von Andrea Fischer
Tatort ist der Sender Viva Schweiz, an einem späten Abend in der vergangenen Woche. Auf dem Programm steht das Spiel "Swissquiz".
Gesucht ist diesmal "Ein Tier mit i an zweiter Stelle. Wer ein wenig nachdenkt, dem fällt sicher eins ein." Sagt die blutjunge Moderatorin. Dann fordert sie das Publikum auf, anzurufen. Doch nichts passiert. Kein Wunder, denkt sich die ahnunglose Zuschauerin; bei diesen Telefontarifen. Bereits der Versuch, auf die eingeblendete 0900er- Nummer anzurufen, kostet 1.85 Fr, ist auf dem Bildschirm zu lesen.
Der Preis ist jedoch kaum der Grund dafür, dass es lange ruhig beibt auf dem Sender. Anrufen und eine der möglichen Antworten zu kennen, genügt nämlich nicht.
Eine Gewinnchance besteht nur, wenn die Anrufer bestimmte Nummern der Studioleitung treffen. Was auf den ersten Blick als Geschicklichkeitsspiel daherkommt, ist zur Hauptsache reine Glückssache und Willkür. " Ob ein Anruf ausgewählt wird, hängt vom Zufall ab", verkündet eine Laufschrift auf dem Bildschirm.
Nachdem die Moderatorin gut 40 Minuten auf die Zuschauer eingeredet hat, wird dann doch noch eine Spielerin zugeschaltet, mit der passenden Antwort. Ihr Gewinn; zwei Geldpakete im Wert von 120 Franken. Dafür habe sie viermal versucht anzurufen, verrät sie der Moderatorin.
Ergibt Telefonkosten von Total 7.40 Fr., wenn man den Angaben des Senders glaubt.
Dass diese Angaben zumindestens ungenau sind, zeigt ein Selbsttest; Ein Anrufversuch der nur 11 Sekunden dauert, schlägt mit satten 2.20 Fr. zu Buche – anstatt, wie angkündigt, mit 1.85 Fr.
Immerhin haben sich die Privaten Fernsehstationen inzwischen die Vorgaben des Bundesgerichtes zu Herzen genommen. Die obersten Richter haben in mehreren Urteilen 2006 und 2007 festgehalten, dass es den Zuschauern möglich sein muss, auch unentgeltlich bei solchen Formaten mitzumachen.
Alternative günstig aber Kompliziert
Bei Viva Schweiz können sich die Zuschauer über eine alternative Telefonnummer zum Normaltarif am Quiz beteiligen. Dazu müssen sie allerdings einige Umstände in Kauf nehmen. Zuerst gilt es, eine (ebenfals auf dem Bildschirm) eingeblendete Telefonnummer anzuwählen. Auf Band wird einem danach ein 10stelliger Code genannt (Vorsicht; Verschreibgefahr !), diesen muss man eintippen (Achtung; Tippfehlergefahr), nachdem man eine weitere Telefonnummer angewählt hat. Danach meldet sich die selbe Computerstimme wie bei der teuren Telefonvariante. Für jeden weiteren Anrufversuch müssen sich die Teilnehmer einen neuen 10stelligen Code besorgen.
Die wenigsten werden sich wohl in einem Live – Quiz für so eine komplizierte Spielvariante entscheiden.
Ähnliches gilt für Star-Tv und 3+, die das gleiche Gewinnspiel zum Teil gleichzeitig ausstrahlen. Sie bieten dem Publikum als Alternative zu den teuren 0900-Nummern die nicht minder umständliche Teilnahme über Internet und WAP (Technik, mit der man per Handy ins Internet gelangen kann) an.
Es genügt jedoch nicht, dass man am Gewinnspiel auch ohne finanziellen Einsatz teilnehmen kann. Gemäss Bundesgericht müssen alle Teilnehmenden- egal welche Variante diese gewählt haben- auch die gleichen Gewinnchancen haben.
Die Veranstalter (Mass Response, Neun Live und früher auch Callactive) behaupten dies sei der Fall. Das geht unter anderem aus einer Stellungnahme vom Juni 2007 hervor, in welcher der Sender 3+ gegenüber dem Privatfernseh - Ombudsmann festhielt; "Unsere technische Infrastruktur garantiert, dass keine der Teilnahmemöglichkeiten bevorzugt wird und alle die gleichen Chancen haben, den ausgelobten Preis zu Gewinnen.
Ein altes Lotteriegesetz und viele Schlupflöcher
Allerdings; " Eine Kontrolle gibt es kaum," sagt Reto Brand vom Bundesamt für Justiz. Ermittlungen seien in diesem Bereich äusserst schwierig" und die möglichen Strafen geradezu "lächerlich". Wer gegen das Lotteriegesetz aus dem jahre 1923 verstösst, muss mit höchstens 10'000.- Franken Busse rechnen. "Das schreckt keinen Spielproduzenten mehr", meint Brand.
Eine Revision des Lotteriegesetzes wurde zwar begonnen, ist aber dann vom Bundesrat auf Eis gelegt worden. Nötig wäre vor allem eine grössere Transparenz.
Dies würde zum Beispiel bedeuten, dass die Produzenten ihre Spielkonzepte den Behörden zu Prüfung vorlegen müssten, bevor sie damit starten- wie das in anderen europäischen Staaten bereits Pflicht ist. Auch muss klar festgelegt werden, welche Behörde für welche Kontrolle zuständig ist.
Ncht klar geregelt ist, wer für die Kontrolle zuständig sein soll. Der Vollzug des Lotteriegesetzes gehört zu den Aufgaben der Kantone. Doch die Realität hat das Gesetz von 1923 schon längst überholt. Aktivitäten sind nicht mehr auf einzelne Kantone und herkömmliche Technologien beschränkt, dies zeigt gerade auch das Beispiel der Callin – Produzenten für die Schweiz, die aus Deutschland und Österreich heraus für die Schweizer Sender Produzieren und von da aus das Programm in die ganze Schweiz ausstrahlen.
Doch niemand fühlt sich wirklich zuständig und so haben die Produzenten vorläufig noch wenig zu befürchten.
Wie dringend mehr Transparenz bei den TV – Gewinnspielen nötig wäre, ist selbst für unkritische Konsumenten schon nach kurzer Zeit offensichtlich.
Häufig ist nämlich nicht einmal klar was es den nun effektiv zu gewinnen gibt.
Hinzu kommt; Gewinner gibt es meist nur dann, wenn wenig zu holen ist. Sobald die Beträge von ein paar Tausend Franken locken, ist das Spiel so angelegt, dass es praktisch unmöglich ist zu gewinnen, oder niemand will eine Lösung finden in einem meistens längeren Zeitfenster.
So wurden unlängst die Zuschauer des Swissquiz aufgefordert, Worte zu bilden die man aus einer aufgeführten Auswahl von 16 Buchstaben bilden könne, wobei es natürlich darum ging, genau diejenigen Worte zu erraten welche sich die Spieleredaktion ausgedacht hatte.
Angesichts der schier unendlichen Anzahl Lösungsmöglichkeiten ein geradezu unmögliches Unterfangen.
So übberrascht es nicht, dass genau diese Quiz – Spielvarianten in der Regel ohne Gewinner enden, obwohl gerade hier auffallend viele Spieler auf den Sender geschaltet werden.
Am Ende des Testabends verstärkt sich der Eindruck, dass es bei diesen Tv – Gewinnspielen einzig darum geht, die Leute mit allen Mitteln zu locken, Geld auszugeben.
Ein Großteil der Sendestrecken im Privatfernsehen wird inzwischen gefüllt von schlechtausgebildeten Trickbetrügern und mäßig begabten Hütchenspielern, die auf der Straße keine zehn Minuten überstehen würden, ohne verhaftet oder von der Kundschaft niedergeschlagen zu werden.
Dieser Beitrag wurde verfasst vom Benutzer: Nebelspalter
Verfasst am: Dienstag, 03.06.2008, 11:27 Titel:
Re: Tages Anzeiger (Schweiz) vom 02. Juni 2008
Thema Beschreibung: Artikel zu Callin - Gewinnspielen
« Artikel Tages – Anzeiger, Rubrik Sozial & Sicher, Montag 2. Juni 2008 » hat Folgendes geschrieben:
Am Ende des Testabends verstärkt sich der Eindruck, dass es bei diesen Tv – Gewinnspielen einzig darum geht, die Leute mit allen Mitteln zu locken, Geld auszugeben.
Um diese Erkenntnis zu erlangen, hat es bis zum 2. Juni 2008 gebraucht ? Werte Frau Fischer, das hätte ich Ihnen schon vor Jahren, als die CI-Seuche über unsere Länder zog, sagen können. Auch ohne Testabend.
Hätten Sie Ihren Testabend in diesem Forum verbracht, wobei Sie auch keiner Verdummungsgefahr ausgesetzt gewesen wären, könnten Sie jetzt wirklich von einem verstärkten Eindruck schreiben. Ohne Ranzäpfiiffä...
Dieser Beitrag wurde verfasst vom Benutzer: Mephisto
Ncht klar geregelt ist, wer für die Kontrolle zuständig sein soll. [...] Doch niemand fühlt sich wirklich zuständig und so haben die Produzenten vorläufig noch wenig zu befürchten.
Glücklichererweise sind wir in Deutschland schon einen Schritt weiter: Hier ist klar geregelt, wer zuständig ist, aber trotzdem haben die Produzenten nichts zu befürchten.
Wir sind alle Individuen
Dieser Beitrag wurde verfasst vom Benutzer: Callpassive
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